Zu jedem Zeitpunkt der historischen Vergangenheit hat es so unterschiedliche Musikrichtungen gegeben, dass keine Geschichtsschreibung jemals in der Lage sein wird, Licht auf eine gemeinsame Bedeutung zu werfen. Andererseits kommt es auch vor, dass zeitlich weit entfernte Werke aufeinandertreffen, nicht aufgrund sprachlicher oder stilistischer Nähe, sondern innerhalb eines gemeinsamen emotionalen Horizonts. Das ist der tiefe Sinn dieses Projekts De l'Infinito, bei dem es darum geht, die Stimme und das Wort zu umhüllen: Bei Monteverdi werden die Stimmen der Messa In Illo tempore sozusagen durch das Nichtwörtliche erneuert Verdoppelung der Viole da Gamba, nach einer im 15. und 16. Jahrhundert üblichen Praxis, die heute nur noch selten angewendet wird; In Cresta ist es die Elektronik in Echtzeit, die diesen Prozess der Enthüllung weiterer und anderer Möglichkeiten der menschlichen Stimme durchführt. Eine Übergabe also: von der Viole da Gamba zur Elektronik. Auf Gianvincenzo Crestas Schaffensreise ist die Gegenüberstellung, der Dialog und die Verschmelzung alter und neuer Musik ein häufiger (f)akt; im Wesentlichen steht die Stimme immer im Mittelpunkt seiner Forschung, auch in seiner Instrumentalmusik. De l'Infinito von Gianvincenzo Cresta besteht aus Liedfragmenten, Klanginseln, langen Spuren der Polyphonie; es ist pure energetische und ausdrucksstarke Spannung als Sublimierung des Wortes. Es ist eine musikalische Reflexion über die Brunsche Bedeutung der Begriffe Ursache und Prinzip, darüber, was „das Wesen aus der Komposition heraus hat“ und was stattdessen „zur Konstitution der Sache beiträgt und in der Wirkung bleibt“. Ein weiterer Anspruch dieser Musik besteht darin, sich selbst zu erheben: als kreative Utopie präzise in Richtung Unendlichkeit aufzusteigen.